1969, mit 14 Jahren, ist Pantelis Sabaliotis als Lehrling für Ikonenmalerei in Kirchen unterwegs. Er probiert sich in aus der Antike überlieferten Techniken wie Tempera, Blattgoldverarbeitung, Freskenmalerei, Enkaustik. Mit 16 Jahren ist seine Ausbildung beendet. Doch schon bei den ersten eigenen Aufträgen gerät er mit seinen Auftraggebern aneinander, denn seine eigenwilligen Interpretationen der Heiligen stoßen bei den Popen, den Kirchenmännern, auf wenig Begeisterung. So sind die Aussichten des jungen Mannes auf Karriere begrenzt, was ihn aber nicht weiter beunruhigt, seinen Weg sieht er ohnehin anderswo. Er hat jetzt sein Handwerkszeug und kann es von nun an für sich nutzen. Er beginnt, mit Tempera, Ölfarben und Leinwand an eigenen Themen zu arbeiten. Nur noch einige wenige der ersten freien Arbeiten beschäftigen sich mit Christus- oder Engelsdarstellungen. Einzig und allein Flügel sind es, die ihn als grundlegendes Element noch in vielerlei Gestalt in seiner Arbeit über die Jahre begleiten werden. Bis hin zum Ouranios Podilatis, dem geflügelten Radfahrer, der 2020 zum Stadtwappen Karditsas, seiner Heimatstadt, wird.
Der 16-Jährige entdeckt die Surrealisten. Es ist die Zeit der seit 1967 herrschenden Militärregierung (Junta) und ihrer Restriktionen und Verbote. Sein Wissen erwirbt er aus verbotenen Büchern. Während viele der älteren Intellektuellen und viele der Künstler auswanderten, um in anderen Städten Europas Freiheit zu finden und zu leben, ist Sabaliotis bereit, für sie daheim zu kämpfen. Er schließt sich mit Gleichaltrigen zusammen, die sich auch den Mund nicht verbieten lassen wollen. Protestveranstaltungen werden organisiert. Die größte ist das „Geheimnisvolle Abendmahl der Bauern“ 1971 im Städtischen Theater Karditsa. Ein Happening, würden wir heute sagen, mit einem von Sabaliotis selbst verfassten Theaterstück, mit Gedichten, mit Bildern, mit einem experimentellen Kunstworkshop. Es finden auch Lesungen statt, mit Texten aus von der Regierung verbotenen Büchern.
Karditsa wird dem 17-Jährigen dennoch schnell zu eng. Er will mehr bewegen, mehr erfahren! Die nächste Station ist 1971 Athen, wo er mit anderen Gleichgesinnten, mit jungen Dichtern, Autoren, Künstlern und Theaterleuten ein Jahr später die Galerie „Diamartiria“ (Protest) gründet. In der Galerie finden Veranstaltungen und Lesungen statt, werden Schriften und Bücher herausgegeben. Ein Protest gegen die Zensur der Presse- und der Redefreiheit, ein Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben.
Er muss aber auch Geld verdienen und beginnt in einer kleinen Werbeagentur, wo er etwa zwei Jahre lang an überdimensionalen – seinerzeit noch handgemalten – Kinowerbeplakaten aber auch verschiedensten Schrifttypen für die Werbung arbeiten wird, die ihn in verschiedenen Formen von Lettrismus und Skripturalkunst bis zu seinem Tod beschäftigen werden.
Im Februar 1973 wird Pantelis Sabaliotis volljährig und erhält sofort den Einberufungsbefehl. Dem er Folge leisten wird, da sonst mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen ist. Wie andere politische Aktivisten gegen die Junta, wird er als “Unerwünschter” direkt an den Evros versetzt, dem Grenzfluss zur Türkei im Nordosten. Dort wird jeden Moment mit einer Eskalation der derzeit höchst angespannten politischen Lage gerechnet. In demselben Jahr, Anfang November, kommt es an der Technischen Universität Athen (dem Polytechnio) zu einem Aufstand der Studenten, der blutig niedergeschlagen wird. Der Aufstand läutet dennoch das Ende der Junta ein, die im Sommer 1974 dann endgültig vorbei ist. Der junge Künstler ergreift sofort die Gelegenheit und stellt im selben Jahr trotz seines – noch bis 1976 andauernden – Militärdienstes aus: „Die Alltäglichkeit der Träume“ heißt die erste große Einzelausstellung im Experimentaltheater Pialdi in Athen. Da ist er 19 Jahre alt.
Noch sind Pantelis Sabaliotis‘ Arbeiten in Eitempera und Öl vom Surrealismus bestimmt. Er übt sich dadurch vor allem in realistischer Darstellungsweise, in der er eine kurze Zeit von 1975 bis 1978 eigene Themen umsetzt. Es sind Bilder, die das bäuerliche Leben in seinem Dorf festhalten und eher das sind, was wir als „romantisch“ bezeichnen würden. Pferde sind oft zu sehen, vielleicht weil Thessalien in der Antike als Heimat der besten Pferde weit und breit galt. So wundert es nicht, dass in der griechischen Mythologie auch die sagenumwobenen Kentauren, halb Pferd halb Mensch, hier lebten. Ein Mythos, den der Künstler auf seine eigene Art und Weise Anfang der 80er Jahre in seinen Bildern erneut zum Leben erwecken sollte.
Der Künstler beobachtet jetzt genauer, intensiver. In dieser Zeit entstehen auch sehr viele Porträts: Zeichnungen, Tempera-, Öl- und Pastellarbeiten. Sabaliotis probiert sich in diesen Jahren bis 1979 immer wieder neu aus, wechselt zwischen den Stilen, von realistisch zu naiver Malerei, vom Surrealismus zur geometrischen Kunst. Er imitiert, er kopiert, er komponiert. Zwischendrin entstehen Arbeiten, die schon deutlich seine individuelle Handschrift tragen: Mädchen, ätherisch, mystische Wesen aus einer anderen Welt. Das blaue Pferd im luftleeren Raum auf monochromem Grund. So findet er zu den Themen, die sein Werk viele Jahre bestimmen werden: Pferde, Frauenkörper, das Meer, Flügel, Boote, Türen, die sich in andere Dimensionen öffnen.
1976, endlich aus dem Militärdienst entlassen, wird Sabaliotis in Sofades, unweit von Karditsa, die erste freie Malschule Thessaliens gründen. Er wird noch jeweils eine Ausstellung in Kastella (1977) und in Volos (1978) machen. Dann kehrt er Griechenland den Rücken, um die Welt zu entdecken. Um die Werke seiner großen Vorbilder Picasso, Max Ernst, Gustav Klimt in den Museen Europas endlich im Original zu sehen!